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Besondere Anforderungen in medizinischen Notfallsituationen bei MPS

Schritt 1: Nacken stabilisieren

Zur Vermeidung von Rückenmarksverletzungen im Bereich der Halswirbelsäule

Risiken

  • Bei MPS-Patienten besteht ein hohes Risiko von Rückenmarksverletzungen im Bereich der Halswirbelsäule, die wiederum zu Paralyse und plötzlichem, vorzeitigem Tod führen können.1
  • Es kann zu einer atlantoaxialen Instabilität kommen,2–5 die häufig mit einer Kompression des zervikalen Rückenmarks und Myelopathie einhergeht.

Empfehlungen

  • Nehmen Sie eine manuelle Inline-Stabilisierung vor, um Verletzungen der Halswirbelsäule zu vermeiden.1
  • Begrenzen Sie das Ausmaß der Flexion/ Extension angesichts einer möglichen Laxität der Bänder (mit oder ohne Odontoiddysplasie) und zervikalen Stenose.1
  • Intubation: Lagern Sie den Patienten während der Intubation in einer neutralen Position, da die „Schnüffelposition‟ eventuell nicht möglich ist. Nutzen Sie die fiberoptische Intubation oder Videolaryngoskopie.1
  • Achten Sie darauf, dass der Rest der Wirbelsäule in der neutralen Position verbleibt, da sonst eine Kompression in anderen Regionen eintreten könnte.1
  • Eine neurophysiologische Überwachung wird bei allen Patienten empfohlen, die sich längeren Eingriffen und/ oder Eingriffen an der Wirbelsäule oder der Manipulation des Kopfes unterziehen.1
Intubate

Schritt 2: Hochrisiko-Anästhesie

(sowohl Intubation als auch Extubation)

Halten Sie in Nase und Mund genügend Platz für die Luftzufuhr frei

Risiken

Respiratorisches Versagen und atemwegsbezogene Notfälle sind eine häufige Ursache für die Morbidität von MPS-Patienten,1 insbesondere bei chirurgischen Eingriffen.6 Die Sauerstoffsättigung kann plötzlich auf ein kritisches Maß absinken.1

Bei einem die Atemwege betreffenden Anästhesie-Notfall bleiben unter Umständen weniger als 3-5 Minuten, um eine Notfalltracheostomie durchzuführen, bevor es zu dauerhaften Hirnschäden kommt.7

JEDES Sedativum kann zu respiratorischen Komplikationen, schwerer Hypoxämie und infolgedessen zu neurologischen Beeinträchtigungen führen.1

Atemwegsobstruktion:

  • MPS-Patienten können an obstruktiver Schlafapnoe (OSA) leiden, was das Risiko von Atemwegsnotfällen und chronischer Hypoxämie erhöht.8
  • Obstruktionen der Atemwege können zu Schwierigkeiten bei der Maskenbeatmung und Intubation führen.1
  • Eine Kiefergelenkskontraktur mit Schwierigkeiten beim Öffnen des Mundes und eine Akkumulation von Glykosaminoglykanen (GAGs) im Bereich von Zunge, Mund-Rachenraum und Larynx können den Zugang zu den oberen Atemwegen und die Erkennung der Glottis behindern.1 Dies kann zu einem Unterdrucklungenödem führen oder eine Beatmung/ Intubation1 oder Darstellung der Atemwege unmöglich machen.9
  • Bei der Extubation können schwerwiegende Komplikationen auftreten, darunter ein Lungenödem und die Notwendigkeit einer Reintubation oder einer Notfalltracheostomie.1

Empfehlungen

  • Bei jedem chirurgischen Eingriff an MPS-Patienten sollte ein HNO-Arzt, vorzugsweise mit MPS-Erfahrung, unmittelbar bereitstehen, da die Wahrscheinlichkeit einer Notfalltracheostomie nicht gering ist.1
  • Der HNO-Arzt muss sich darüber im Klaren sein, dass eine Notfalltracheostomie bei MPS-Patienten aufgrund des kürzeren Halses, des verdickten Weichteilgewebes und der Tiefe der Luftröhre schwieriger ist, ein höheres Risiko birgt und länger dauert.1
  • Seien Sie auf alternative Intubationsmethoden (z. B. fiberoptische Intubation) vorbereitet für den Fall, dass die Maskeneinleitung mit anschließender oraler trachealer Intubation erfolglos ist.1
  • Ein orales Anxiolytikum kann die Angst lindern und die Erfolgsaussichten einer fiberoptischen Intubation erhöhen – wenn der Patient jedoch einschläft, kann er aufgrund einer Obstruktion der oberen Atemwege bis zu einem gefährlichen Grad entsättigen.1
  • Lassen Sie die Sauerstoffsättigung von der OP-Fachkraft genau überwachen und rufen Sie sofort das Anästhesieteam, wenn sich die Sauerstoffsättigung verändert.1
  • Stellen Sie während der Intubation zusätzlich O2 bereit, da es zu Schwierigkeiten bei der Beatmung und Sauerstoffversorgung kommen kann.1
  • Erwägen Sie die Verwendung von Distickstoffmonoxid, um das Anlegen eines intravenösen Katheters zu unterstützen, gefolgt von der Einleitung mit Midazolam oder Fentanyl (bei Bedarf mit Flumazenil und Naloxon antagonisierbar).1
  • Ziehen Sie in Betracht, den Patienten während der Einleitungsphase in die Seitenlage zu bringen, wenn dies seinen Atemweg verbessert.1
  • Bei Patienten mit schwierigen Atemwegen sollte für die tracheale Einleitung ein fiberoptisches Bronchoskop verwendet werden.5
  • Es hat sich gezeigt, dass die Verwendung einer Larynxmaske (LMA) oder eines nasalen Atemwegs die Ventilation während der Bronchoskopie verbessert.1
  • Erwägen Sie, einen Führungsdraht mit J‑Spitze durch den Absaugkanal des Bronchoskops in die Trachea einzuführen, das Bronchoskop zu entfernen und einen Ureterdilatator oder einen Tubuswechselkatheter über den Draht einzuführen und dann den Endotrachealtubus (ETT) über diesen in die Trachea einzuführen.5
  • Vermeiden Sie die Gabe von Muskelrelaxantien, bis die endotracheale Intubation abgeschlossen ist.1
  • Verwenden Sie einen ETT, der 2-3 Mal kleiner ist als altersentsprechend erwartet.1
  • Um die Sauerstoffversorgung des Patienten während der fiberoptischen Bronchoskopie zu erhöhen, kann ein kurzer ETT in das kontralaterale Nasenloch eingeführt werden, sodass kontinuierlich O2 in den Hypopharynx gelangt. Schließen Sie außerdem O2 an den Sauganschluss des Bronchoskops an und injizieren Sie intermittierend O2 über die Spitze der Fiberoptik.10
  • Stellen Sie vor der Extubation die vollständige Antagonisierung des Muskelrelaxans sicher und legen Sie einen nasopharyngealen Atemweg an.1
  • Führen Sie die Extubation in einem Bereich durch, in dem das gesamte benötigte medizinische Personal zur Verfügung steht, falls der Patient eine sofortige Reintubation oder eine Notfalltracheostomie benötigt.1
Contact MPS Specialist

Schritt 3: MPS-Spezialisten kontaktieren

Eine Notfalltracheostomie kann erforderlich sein

Risiken

  • Schwierige Intubationen können zu Verletzungen der Glottis, Stridor, Infektionen oder einem Kollaps der Atemwege führen.1
  • Gefahr einer chronischen Hypoxämie aufgrund einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA)1
  • Nachdem MPS-Patienten extubiert wurden, ist eine Reintubation vielleicht nicht mehr möglich, was einen potenziellen Notfall darstellt.1

Empfehlungen

  • Die Extubation sollte erst dann erfolgen, wenn der Patient vollständig wach ist, eine Dichtheitsprüfung durchgeführt wurde und eine ausreichende Atmungsanstrengung vorhanden ist.1
  • Bei allen chirurgischen Eingriffen an MPS-Patienten sollte aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer Notfalltracheostomie immer ein erfahrener HNO-Arzt oder Kinderchirurg zugegen sein.1
Cardiac Monitor

Schritt 4: Kardiales Monitoring aufrechterhalten

Risiken

  • Bei MPS-Patienten werden bedeutende kardiale Manifestationen berichtet.11,12
  • Herzklappenerkrankungen sind die am häufigsten beschriebenen kardialen Manifestationen bei MPS-Patienten1,11,12 und erhöhen das Mortalitätsrisiko bei chirurgischen Eingriffen.1
  • Es kann zu Ischämie und Herzstillstand aufgrund von Hypotonie kommen.13

Empfehlungen

  • Führen Sie ein EKG durch, um Erregungsleitungsstörungen und Anzeichen einer Myokardischämie zu erkennen.11
  • Erstellen Sie ein Echokardiogramm, um eine Herzklappenregurgitation oder -stenose sowie eine Funktionseinschränkung festzustellen.1
  • Überwachen Sie den Blutdruck mit einer intraarteriellen Kanüle, wenn der Eingriff langwierig ist oder ein hohes Risiko mit sich bringt.1

Anästhesie und MPS1-18

Patienten mit Mukopolysaccharidose (MPS), die operiert werden müssen, stellen eine große Herausforderung für Anästhesisten dar. Die hohe Prävalenz einer Beteiligung der Atemwege und des respiratorischen Systems in Verbindung mit kardiovaskulären Veränderungen führt bei diesen Patienten zu einem hohen Anästhesierisiko.

Bei MPS handelt es sich um eine Gruppe seltener Erkrankungen. Da diese fortschreitend sind, können bei den Betroffenen im Laufe des Lebens zahlreiche chirurgische Eingriffe erforderlich werden. Bei jedem dieser Eingriffe sollte vor der Anästhesie eine umfassende Untersuchung durchgeführt werden, um den aktuellen Zustand des Patienten eingehend zu beurteilen. Die besondere Beachtung der Auswirkungen der MPS auf die Atemwege und das kardiorespiratorische System trägt dazu bei, die Risiken vor der Operation abzuschätzen und die beste Anästhesieplanung zu erarbeiten.

Die wichtigsten Aspekte, die sowohl die präanästhesiologische Visite als auch das intraoperative Management von MPS-Patienten betreffen, sind:

  1. Beurteilung der Atemwege
  2. Beurteilung des respiratorischen Systems
  3. Beurteilung des kardiovaskulären Systems
  4. Beteiligung von anderen Organen oder Systemen
  5. Überlegungen zur Anästhesie
  6. Sonstige Überlegungen zum chirurgischen Eingriff

Beurteilung der Atemwege und des respiratorischen und kardiovaskulären Systems

Sonstige Berücksichtigungen

Albert Sánchez Vega (2021) ‘Consideraciones anestésicas en pacientes con mucopolisacaridosis’, in Del Toro Riera, M. (ed.) Aproximación quirúrgica al paciente con mucopolisacaridosis. España: Content Ed Net, pp. 80-88.

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Literaturangaben:

  1. Walker R et al. J Inherit Metab Dis. 2013;36(2)211–219.
  2. Harmatz P et al. Mol Genet Metab. 2013;109(1):54–61.
  3. Solanki GA, Lo WB, Hendriksz CJ. J Inherit Metab Dis. 2013;36(2):329–337.
  4. Montaño AM et al. J Inherit Metab Dis. 2007;30(2):165–174.
  5. White KK, Harmatz P. J Pediatr Rehabil Med. 2010;3(1):47–56.
  6. Arn P et al. J Pediatr Surg. 2012;47(3):477–484.
  7. Harding M, Kwong J, Roberts D, Hagler D, Reinisch C. Lewis’s Medical-Surgical Nursing [Kindle]. 11th ed. New York, NY: Elsevier; 2020.
  8. Berger KI et al. J Inherit Metab Dis. 2013;36:201–210.
  9. Yeung AH et al. Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2009;135(1):73–79.
  10. Cote C, Lerman J, Anderson B. A Practice of Anesthesia for Infants and Children. 6th ed. New York, NY: Elsevier; 2019.
  11. Braunlin EA et al. J Inherit Metab Dis. 2011;34(6):1183–1197.
  12. Swiedler SJ et al. Am J Med Genet A. 2005;134A(2):144–150.
  13. Valayannopoulos V, et al. Orphanet Journal of Rare Diseases. 2010; 5:5
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